Wie ein Geschenk. "Die Haushälterin" Literatur-Gottesdienst und Lesung zum Evangelischen Buchpreis 2007
Archiv: - Literatur-Gottesdienst und Lesung zum Evangelischen Buchpreis 2007 - Zwei beeindruckende "Mannsbilder". Literaturschwerpunkt auf 3sat __________________________________________________________
„Für mich war Ada wie ein Geschenk, das einen auf die Frage brachte, warum man es sich nicht schon seit langer Zeit gewünscht hatte.“ Es ist diese Erkenntnis, die dem sechzehnjährigen Philipp aufgeht – unmittelbar nachdem er die junge Polin Ada als Haushälterin eingestellt hat. Ein Arbeitgeber, der noch mitten in der Pubertät steckt? Zweifelsohne ungewöhnlich! Doch die Umstände nötigen den Jungen zum Handeln! Vor acht Jahren verstarb die Mutter. Über den Verlust seiner Frau fand der Vater zu keinem neuen Lebensrhythmus: Er wird arbeitslos, sucht Zuflucht im Alkohol. Als er verunglückt und ins Krankenhaus eingeliefert wird, fasst Philipp den Entschluss, eine Haushälterin einzustellen. In Haus und Garten soll sie die Ordnung aufrechterhalten – und für den Vater in den Belangen des Alltags zur Ansprechpartnerin werden. Der Junge hat recht klare Vorstellungen vom Erscheinungsbild der zukünftigen Wirtschafterin. Eines darf sie unter keinen Umständen: der Mutter ähnlich sein! Nach der ersten Begegnung mit Ada fühlt Philipp sich wie ein Beschenkter. Ob er schon ahnt, dass er sich bald mehr und mehr zu der jungen Frau hingezogen fühlen wird? Was er nicht wissen kann: Auch sein Vater wird, aus dem Krankenhaus entlassen, die Nähe Adas suchen – nur wird seine Beziehung zur Haushälterin von gänzlich anderen Motiven geprägt sein als die des Sohnes …
Neben anderen Auszeichnungen erhielt der in Pinneberg geborene und mittlerweile in Zürich lebende Arzt und Schriftsteller Jens Petersen für seinen Debütroman „Die Haushälterin“ nicht nur den aspekte Literaturpreis 2005, sondern auch den Evangelischen Buchpreis des Jahres 2007. – Diese letzte Auszeichnung nahm der Kirchenkreis Lübbecke zum Anlass, gleich zu zwei Veranstaltungen einzuladen.
Am Sonntag, dem 14. Oktober 2007, wurde in der St.-Andreas-Kirche zu Alswede ein Literatur-Gottesdienst zum preisgekrönten Roman gefeiert. Der nicht glücken wollende Umgang mit der eigenen Trauer; die erste, gerade erwachende – aber auch die besitzergreifende, vielleicht schon desillusionierte Liebe: In seiner Predigt gelang es Pfarrer Werner Milstein (Rahden) auf beeindruckende Weise, all diese Themenschwerpunkte des Romans in Beziehung zu setzen zu einem biblischen Gedanken aus dem Hohelied Salomos im Ersten Testament:
Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des HERRN, sodass auch viele Wasser die Liebe nicht auslöschen und Ströme sie nicht ertränken können. Wenn einer alles Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte, so könnte das alles nicht genügen.
Das Hohelied Salomos 8,6-7
Literatur-Gottesdienst: "Die Haushälterin": Bibel und Roman
Liebeslyrik der Bibel – dazu ein Roman aus dem 21. Jahrhundert: Beide erzählen auf je ihre Weise vom Umgang des Menschen mit Liebe und Tod, mit Abschied und Aufbruch. Und Werner Milstein machte deutlich, wie ein Erlebnisschatz mit dem anderen zu korrespondieren vermag. Ein neuer Zugang zur Literatur, zur Bibel und auch zum Gottesdienst: eben eine neue Erfahrung – die einem aufgehen kann wie ein Geschenk … Den liturgischen Rahmen des Gottesdienstes gestalteten Pfarrer Klaus-Dieter Obach (Alswede) und Pfarrer Jürgen Giszas (Kirchenkreis Lübbecke). Die Besucherinnen und Besucher des Gottesdienstes wurden mit dem Erzählstoff bekannt gemacht mittels dreier Lesungen aus dem Roman, die in verteilten Rollen vorgetragen wurden. Katja Giszas übernahm den Part der Ada, Klaus-Dieter Obach den des Vaters und Jürgen Giszas die Rolle des Philipp. Zwischen den einzelnen Lesungen spielte Henrik Langelahn Orgel; und mit seinen Improvisationen unterstrich er auf mehr als gelungene Weise die zuvor zu Gehör gebrachten Romanauszüge.
Das Gottesdienst-Team - von links nach rechts: Jürgen und Katja Giszas, Werner Milstein, Klaus-Dieter Obach und Henrik Langelahn
Eine Woche später, am 21. Oktobers 2007, fand Jens Petersen sich dann in Alswede ein, um aus seinem Roman „Die Haushälterin“ ausgewählte Passagen vorzutragen. Die Autorenlesung im Gemeindehaus begann um 19.30 Uhr. In seiner Begrüßungsrede stellte Werner Milstein den Schriftsteller und sein Buch den Zuhörerinnen und Zuhörern vor. Dabei unterstrich er auch die Bedeutung des Evangelischen Buchpreises, dessen Vergabe von den Evangelischen Büchereien initiiert worden ist. Es handelt sich zudem um einen Publikumspreis; d. h. die Verleihung beruht letztendlich auf den von Leserinnen und Lesern eingereichten Vorschlägen. Jens Petersen verstand es dann, die Lesung derart lebendig zu gestalten, dass sich der Eindruck eingestellt habe – so Werner Milstein in seiner anschließenden Danksagung –, der Erzählstoff sei mit allen Sinnen wahrnehmbar gewesen.
Jens Petersen liest aus seinem Debütroman "Die Haushälterin"
Nach der Lesung gab es noch Gelegenheit, mit dem Verfasser ins Gespräch zu kommen. Jens Petersen erläuterte in diesem Zusammenhang auch die Entstehungsgeschichte des Romans. Die Anlage und Strukturierung der Handlung, die Niederschrift der ersten Fassung, die sich anschließende Überarbeitung: Jeder dieser Arbeitsschritte habe jeweils mehrere Monate in Anspruch genommen. – Auf die Frage, ob denn noch weitere Erzählungen aus seiner Feder zu erwarten seien, gab er an, bereits an seinem zweiten Roman zu arbeiten. Gerade in der Schweiz, so Jens Petersen, könne er aufgrund der konsequent geregelten Arbeitszeiten für Medizinerinnen und Mediziner den Beruf des Arztes, den er nach wie vor ausübt, auf gute Weise mit seiner Tätigkeit als Schriftsteller in Einklang bringen.
Henrik Langelahn am Klavier
Lesung und Gespräch wurden auch an diesem Abend musikalisch untermalt von Henrik Langelahn, der dem Klavier mitreißende Jazzimprovisationen entlockte. – Zum Ende der Veranstaltung hin signierte Jens Petersen dann noch etliche Exemplare seines Romans.
Jens Petersen im Gespräch mit den Zuhörerinnen und Zuhörern
Das Verzeichnis der Preisträgerinnen und Preisträger des Evangelischen Buchpreises weist so illustre Namen wie Rose Ausländer, Eva Zeller, Carl-Friedrich von Weizsäcker und Bernhard Schlink auf (um nur einige zu nennen!). Gut, dass nun auch Jens Petersen mit seinem Werk „Die Haushälterin“ auf dieser Liste verzeichnet steht. In der Begründung zur Preisvergabe heißt es – vollkommen zu Recht: "Jens Petersen ist ein geschickter Erzähler. Traditionelle Stoffe wie Erwachsenwerden, Erste Liebe, Konkurrenz und Verlust verarbeitet er scheinbar mühelos und schafft einen für Alt und Jung mit Gewinn lesbaren Roman." – Die Begegnung mit dem sympathisch und vor allem auch authentisch wirkenden Schriftsteller vermag diese Einschätzung nur zu untermauern. Es ist durchaus vorstellbar, dass Leser und Leserinnen nach der Lektüre dieses Romans sagen werden: Dieses Buch ist wie ein Geschenk. – Und dann möglicherweise noch leise hinzufügen: ein Geschenk, das einen auf die Frage bringt, warum man es sich nicht schon seit langer Zeit gewünscht hat …
Jürgen Giszas – 23./24. Oktober 2007 Fotografien: Jürgen Giszas